01. Visionen entwickeln

(Bild: Wonderlane / Unsplash)

Sowohl in unserem Landesprojekt als auch in KuLaDig als Wissensplattform stellt Citizen Science eines der Leitmotive dar. Das fundierte Wissen der Bürger:innen und Ehrenamtler:innen über das kulturelle Erbe in ihrer Region – also ihr eigenes kulturelles Erbe – bildet den Grundstock für die Beiträge und macht das Wissen und das große Engagement der Menschen in den Kommunen oft erst sichtbar und nutzbar.

Ein Zeitzeuge gibt sein Wissen preis (Bild: KuLaDig-RLP)

Die Teilprojekte im Landesprojekt bieten Bürger:innen und Ehrenamtler:innen den idealen Rahmen, um das eigene kulturelle Erbe zu dokumentieren, beispielsweise im kommunalen Projektteam. In diesem arbeiten die Mitglieder der lokalen Vereine Hand in Hand mit Angestellten der Kommune und den Stadt-, Museums- und Gästeführer:innen. Darüber hinaus liefern die Menschen, die einen unmittelbaren Bezug zum jeweiligen Objekt haben, wichtige subjektive Ansichten. Nicht zuletzt sind auch die Angestellten der Stadt oder der Tourist-Infos zu nennen. Da sie die Projektarbeit oft zusätzlich zum Tagesgeschäft zu bewerkstelligen.

Ein Wissensträger erklärt Studierenden die alte Ortsstruktur (Bild: KuLaDig-RLP)

Aber auch unabhängig vom Landesprojekt gibt es vielseitige Möglichkeiten für Bürger:innen und Ehrenamtler:innen sich zu engagieren und KuLaDig zu unterstützen: Das reicht vom Geben von Hinweisen über die Mitmachfunktion auf der KuLaDig-Startseite bis hin zum Verfassen von Textbeiträgen zu bislang nicht publizierten Objekten, das Produzieren und Verfügbarmachen von Video-, Audiodateien und Bildmaterial. In diesem Rahmen ist auch das Beisteuern von eigenem Wissen ein wichtiger und wertvoller Beitrag.

Aufgrund des hohen Anteils von Citizen Science präsentiert sich das Landesprojekt gemeinsam mit dem KuLaDig-Kompetenzzentrum auf der Plattform „mitforschen! Gemeinsam Wissen schaffen“.

Jeder Ort hat seine ganz eigene Geschichte. Diese vermag es häufig, für die Menschen im Ort Identität zu stiften und auch Alt und Jung miteinander zu verbinden oder zumindest ins Gespräch zu bringen. Daher ist es wichtig, dieses Wissen um die Vergangenheit des eigenen Umfeldes für künftige Generationen zu erhalten. Es kann sich dabei um Faktenwissen, Geschichte(n), Liedgut, Gedichte und Mundart ebenso handeln wie um Brauchtum oder Handwerkswissen. Jede Kommune und jede Ortsgemeinschaft sollte selbst festlegen, was sie besonders macht.

Da immaterielles Kulturgut häufig einen direkten Orts- oder Objektbezug hat, also an materielles Kulturgut geknüpft ist, bietet sich auch die Wissensvermittlung an genau diesen Orten und Objekte an. Digitale Anwendungen wie KuLaDig bieten besonders in diesem Bereich große Chancen und helfen, immaterielles und materielles Kulturgut mit digitalen Mitteln im Ort sichtbar zu machen. Dieses Ausschöpfen des eigenen Kulturpotenzials birgt für die Kommune verschiedene Chancen: Neben der Wissensvermittlung, der Stiftung lokaler Identität und der Schaffung von ‚Hotspots‘ im Ort trägt sie zu einer stärkeren Sichtbarkeit der Kommunen in der Außenwahrnehmung bei.

Zuerst aber einmal die Frage: Anhand welcher Faktoren lässt sich für die eigene Kommune ein Alleinstellungsmerkmal definieren? Häufig helfen diese Besonderheit auch dabei ein Rahmenthema für die eigenen KuLaDig-Objekte im Ort zu ermitteln. Mehr Wissenswertes zum Rahmenthema finden Sie im Kapitel „Rahmenthema finden“. Im Folgenden möchten wir ein paar hilfreiche Kriterien, um ein eigenes Profil zu definieren:

 

Architektur als Alleinstellungsmerkmal

Teils prächtige Fachwerkfassaden prägen den historischen Ortskern von Montabaur (Bild: Nitz-Fotografie Montabaur)
 

Gebäude, Plätze, Kulturlandschaftsobjekte: Der Vorteil von materiellem Kulturgut liegt in seiner Präsenz und Sichtbarkeit im Ortsraum. Weisen diese Objekte in ihrem Aussehen, ihrer stilistischen Ausprägung, ihrer Funktion etc. Besonderheiten auf, dann könnten sie ein Alleinstellungsmerkmal darstellen.

Die Stadt Montabaur beispielsweise verfügt im Bereich der Altstadt über eine Vielzahl von Fachwerkgebäuden, die mit einem hohen Zeit- und Kostenaufwand fachmännisch restauriert wurden und werden. Aufgrund ihrer spezifischen Typisierung als Westerwälder Fachwerk wurde Montabaur als erste Stadt in Rheinland-Pfalz Mitglied in der Arbeitsgruppe der Deutschen Fachwerkstraße. Dass eine Inwertsetzung der eigenen Architektur auch im Kleinen – sprich in einer Ortsgemeinde – machbar ist, zeigt sich in Briedel, wo ebenfalls die Fachwerkarchitektur eine prägende Rolle spielt.

 

Wirtschaftsgeschichte als Alleinstellungsmerkmal

Der Steinabbau hat das Mayener Grubenfeld in eine charakterstarke Landschaft verwandelt (Bilder KuLaDig-RLP)

Der Abbau und die Verarbeitung von Rohstoffen bietet genauso wie die Herausbildung von Industrie- und Handwerkszweigen ein immenses Potenzial. Neben sichtbaren Orten und Objekten in Form von Fabrikgebäuden, Abbaustellen oder den Wohn- und Lebensräumen der beteiligten Menschen, entstehen in diesem Bereich häufig sehr individuelle Landschaftsstrukturen:

Das Landschaftsprofil der Verbandsgemeinde Weißenthurm beispielsweise wurde durch den Ton-, Kies- und Bimsabbau maßgeblich geprägt. Auch in unseren Modellkommunen Dattenberg, Bendorf, Eisenberg, Mayen und Mendig sowie in der Pellenz entstanden Industrie- und Bergbaufolgelandschaften. Diese werden in neuester Zeit touristisch erschlossen und bieten sich als Zielorte für verschiedene Zielgruppen an.

 

Personen um dem Ort ein Gesicht zu geben

Es geht auch eine Nummer kleiner als in Bonn: Kunstinstallation auf dem Münsterplatz in Bonn (Bild: Rainer Henkel)
 

„Beethovenstadt Bonn“ oder „Sickingenstadt Landstuhl“: Manch eine Kommune formuliert bereits in der Ortsbezeichnung eine ganz eigene Art von Qualitätsprädikat. Diese wird unmittelbar mit einer historischen und bedeutsamen Person in Verbindung gesetzt. In Altenkirchen-Flammersfeld beispielsweise wird der Mitbegründer des Genossenschaftswesens und Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen sehr vielfältig für die Außenwahrnehmung genutzt, beispielsweise durch Hinweistafeln, QR-Codes und Straßennamen.

In Altenkirchen-Flammersfeld sind die Hinweise auf den Genossenschaftsgründer vielerorts sichtbar
 
Dass die Person nicht unbedingt berühmt sein muss, wird in Kelberg in der Vulkaneifel deutlich. Die historische Person Gertrud Feiler, genannt Kamillen-Traud, zog als obdachlose Hausiererin Zeit ihres Lebens durch die Vulkaneifel. Ihr entbehrungsreiches Leben beschrieb die Schriftstellerin Ute Bales 2008 in ihrem biografischen Roman „Kamillenblumen – Roman aus der Eifel“. Die Orte, an denen die reale Kamillen-Traud wirkte, vor Ort und digital sichtbar zu machen, war der logische nächste Schritt. 
 
Links eine Station auf dem Rundweg „Spuren der Kamillentraud“ und rechts die Schriftstellerin Ute Bales (Bilder: KuLaDig-RLP; U. Bales)
 
 

Ebenfalls sinnvoll für die Phase der Konzeption ist die Frage nach der Zielgruppe. An welche Personen sollen sich die zukünftigen KuLaDig-Beiträge richten? Sind es die Menschen im Ort oder von außerhalb? Sind es Familien oder vielleicht eher Studierende? Welche Bedarfe haben diese Personen und wie kann diesen über das digitale Angebot entsprochen werden?

(Bild: Jacek Dylag / Unsplash)

 

Eine gute Möglichkeit sich mit der eigenen Zielgruppe auseinanderzusetzen, ist das Erstellen einer Persona. Diese Methode stammt aus dem Bereich des Design-thinkings. Fiktive Personen werden kreiert, um eine Vorstellung von den Bedarfen potenzieller Nutzer:innen zu gewinnen. Wichtig bei diesem kreativen Prozess ist es, sich die Persona möglichst vielschichtig vorzustellen.

Welche Interessen, Angewohnheiten und Hobbies hat die Persona? Je konkreter, desto besser (Bild: KuLaDig-RLP)

 

Unter folgendem Link kann ein Musterbogen zur Erstellung einer Persona heruntergeladen werden:

Erstellen einer Persona(1)

Das eigene Potenzial und die Persona lassen sich auch kombiniert nutzen, um auf die eigenen Besonderheiten hinzuweisen und auch bestimmte Zielgruppen anzusprechen:

(Bild: Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH)
 

Die Zielgruppe wirkt sich letztlich auch auf die Gestaltung der KuLaDig-Beiträge aus. Soll eine möglichste breite Zielgruppe angesprochen werden, bietet sich eine breite multimediale Ausstattung an, die den rein informativen Text ergänzt und das KuLaDig-Objekt vielfältig erfahrbar macht (siehe Kapitel zu Multimedia und den virtuellen Welten).

Vielfältige Möglichkeiten bieten kindgerechte Beiträge, die in Form von eigenen multimedialen Bestandteilen oder in Form separater Beiträge angeboten werden können. In Kamp-Bornhofen wurde beispielsweise für jeden KuLaDig-Beitrag ein kindgerechter Beitrag erstellt. Die Texte sind in einfacher und kindgerechter Sprache verfasst. In Audiodateien werden die Texte auch für Kinder im Vorschulalter zugänglich.

Der Mehrwert digitaler Daten zeigt sich häufig erst dann, wenn man diese im Ort sichtbar und somit nutzbar macht. Daher ist es sinnvoll, sich bereits zu Beginn eines KuLaDig-Projekts folgende Frage zu stellen: Wie bringe ich die digitalen Inhalte auf die Straße?

(Bild: Harrison Moore / Unsplash)

 

In diesem Leitfaden erhalten Sie im Kapitel „Auf die Straße bringen“ verschiedene Anregungen zu Möglichkeiten, die digitalen Daten in der Kommune und unmittelbar am Objekt sichtbar zu machen. Die Verwertung aber sollte bereits in der Konzeptionsphase mitgedacht werden.

(Bild: Jon Tyson / Unsplash)

 

Folgende Fragen helfen Ihnen bei der Entwicklung einer eigenen KuLaDig-Vision:

  • Was macht unseren Ort besonders?
  • Wie und durch welche Orte/Kulturlandschaftsobjekte lässt sich dieses Besondere definieren/fassen?
  • An welchen Orten wird die Vergangenheit meiner Kommune am besten sichtbar/erlebbar?
  • Welche digitalen Möglichkeiten bieten sich an, dieses ganz eigene kulturelle Erbe in meinem Ort zu vermitteln?
  • Welche Möglichkeiten bietet mir KuLaDig, um meine Vision und das Potenzial der eigenen Kommune digital nutzbar zu machen?
  • An welche potenziellen Zielgruppen soll sich das Angebot richten?
  • Auf welche Weise soll auf die digitalen Inhalte im Ort selbst hingewiesen werden?
  • Wie lässt sich das eigene kulturelle Erbe im Ort am besten vermarkten?

Besonderheiten definieren

Überlegen Sie, was Ihren Ort besonders macht und fragen Sie so viele unterschiedliche Personen, wie möglich. Mithilfe von Umfragen, beispielsweise im Gemeindeblatt, auf der Webseite etc., kann eine gewisse Öffentlichkeit erreicht werden und Meinungen eingeholt werden.

Zielgruppe

Binden Sie für die Ermittlung der Zielgruppen die Mitarbeiter:innen der örtlichen Tourist-Information mit ein. Das Erstellen einer oder mehrerer Personae hilft Ihnen dabei, die Erwartungen und Bedarfe der Zielgruppen genauer zu analysieren und zu bedienen.

 

Verwertung

Erste Ideen, wie die digitalen Daten im Ort selbst sicht- und verfügbar gemacht werden, sollten ebenfalls in der konzeptionellen Phase mitgedacht werden. Auch lassen sich anhand der Zielgruppen, ihrer Bedarfe und Gewohnheiten, weitere Ideen ableiten. Verschiedene Beispiele der Verwertung aus unserem Projektkontext und darüber hinaus finden Sie im Kapitel „Auf die Straße bringen“.